Darf ich mich vorstellen? Ich bin die Matrix.

SammelschienenmatrixChristian Wetzel, KIT

Nein, nicht die aus dem legendären Science-Fiction-Film Ende der 90er Jahre. Ich bin die Sammelschinenmatrix und das zentrale Element am Smart Energy System Control Laboratory (SESCL) am KIT Campus Nord. Mit mir ist es möglich, an die Stabilitätsgrenzen von Betriebspunkten zu gehen. Dazu bin ich galvanisch vom öffentlichen Stromnetz getrennt, denn solche Experimente wären sonst überhaupt nicht zulässig. Nur so lassen sich aber moderne energietechnische Anlagen und neue Regelalgorithmen entwickeln und testen.

Ich bestehe aus 424 Schützen verschiedener Typen und Leistungsklassen. Ein Schütz ist ein elektromagnetischer Schalter für große elektrische Leistungen. Angeschlossen an ein zentrales, ferngesteuertes Automatisierungssystem sind mit Schützen schnelle und sichere Schaltvorgänge möglich. Durch den tiefen Automatisierungsgrad können Leitungslängen und andere Parameter vollautomatisch geändert werden, was Kosten und mögliche Bedienfehler signifikant minimiert. In rascher Abfolge können mit mir Experimente mit unterschiedlichen Microgrid-Topologien, Produzenten, Konsumenten und Prosumenten durchgeführt werden.

Abbildung: Sammelschienenmatrix

Um zu verdeutlichen, was ich alles leisten kann, soll diese Abbildung dienen. Man kann mich in zwei Betriebsarten unterteilen: Wechselstrom und Gleichstrom. Mein Wechselstrombereich besteht aus insgesamt acht dreiphasige TN-C-S-System Sammelschienen der Niederspannungsebene (waagrechte Linien). TN-C-S ist Französisch und steht für terre neutre combiné séparé, also für ein Drehstromversorgungsnetz in dem der Sternpunkt des Transformators direkt geerdet ist. Das ist ein üblicher Standard im Niederspannungsnetz in der elektrischen Energieversorgung. Die acht Sammelschienen können über diverse Leitungsnachbildungen untereinander verbunden werden. Dabei werden die Leitungsbeläge unterschiedlich langer Übertragungsstrecken nachgebildet (graue Rechtecke). Die Komponenten – etwa ein Schwungrad oder eines der Living Lab Musterhäuser – werden ebenfalls über eine Anordnung von Schützen an die Sammelschienen angeschlossen (senkrechte Linien). Dadurch entsteht die erkennbare Matrix von der ich meinen Namen habe. Die unterschiedlich großen Rauten symbolisieren dabei unterschiedliche Leistungsklassen von Schützen. Im Rahmen des Experimentierfeldes können energietechnische Anlagen der „Stromklassen“ 400 A, 125 A, 63 A, 32 A und 16 A angebunden werden. Die Zahl der verfügbaren Anlagen ist in Wahrheit weit größer als abgebildet. Nach dem derzeitigen Entwicklungsstand sind etwa 40 Produzenten-, Verbraucher- und Prosumenten-Komponenten vorgesehen, doch wir haben noch einige Reserveplätze in petto.

Ein wenig stolz bin auch auf meine beiden Gleichstromsammelschienen, die für eine Betriebsspannung von 400 V und einen Maximalstrom von 220 A ausgelegt sind. Beide sind identisch zu den Wechselstromsammelschienen aufgebaut und können über Leitungsnachbildungen und Schütze nicht nur miteinander verbunden werden, es können auch Komponenten automatisiert auf- und abgeschaltet werden. So lassen sich auch hier variable Netztopologien auf Knopfdruck realisieren.

Eine so komplexe elektrotechnische Anlage wie ich wird erst durch ein entsprechendes und umfangreiches Automatisierungssystem zum Leben erweckt. Es überwacht und steuert sowohl die Gesamtanlage als auch die einzelne Komponente sowie den Ablauf eines geplanten Experimentes. Es ist für die Erfassung, Darstellung und Protokollierung aller versuchs- sowie anlagenrelevanter und komponentenspezifischen Messgrößen wie Strom, Spannung, Netzfrequenz, Leistung und Harmonische verantwortlich. Die Erfassung dieser Messgrößen erfolgt im Wechselstrombereich mit 20 kHz und im Gleichstrombereich mit 100 kHz. Zusätzlich werden Informationen über den Nutzer, die zugelassenen Ressourcen, den benutzten Quellcode etc. archiviert. Über eine grafische Oberfläche kann ein Versuchsverantwortlicher leicht aus einer Liste der für ihn freigegebenen Ressourcen auswählen und die Ressource in eine Topologie seines geplanten Versuches einbinden. Dabei können bis zu vier parallel laufende Experimente ausgeführt werden die in Echtzeit über den Prozessleitstand von der Laborleitung beobachtet werden können.

Dabei können bis zu vier parallel laufende Experimente ausgeführt werden die in Echtzeit über den Prozessleitstand von der Laborleitung beobachtet werden können.

Kommt mich doch mal besuchen, wenn ihr an der SEnSSiCC-Halle seid.

Die Matrix

Ansprechpartner


Friedrich Wiegel, M.Sc.
Leiter des Smart Energy System Control Laboratory am Institut für Automation und angewandte Informatik (IAI)